Zu Besuch im Atelier von Wolfgang E. HerbstSilesius

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Podcastfolge 4 Zu Besuch im Atelier von Wolfgang E. HerbstSilesius

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Über 70 Publikationen eigener Texte, begleitet von bildkünstlerischen Arbeiten verantwortete Wolfgang E. HerbstSilesius als Autor, Künstler und Verleger. Seit Mitte der 1960er-Jahre bis Anfang des zweiten Jahrtausends entstehen seine selten von optimistischer Weltsicht getragenen Merksätze und reimlose Gegenwartslyrik in künstlerischen Handpressendrucken. Fünf dieser Pressen gründete er in Eigenregie sowie in Kooperation mit anderen Künstlerinnen und Künstlern. 1995 wird HerbstSilesius in Mainz für sein kontinuierliches und zugleich kompromissloses Schaffen mit dem renommierten Victor Otto Stomps-Preis ausgezeichnet. Parallel entsteht Herbsts facettenreiches malerisches und druckgrafisches Oeuvre v. a. während seiner Reisen durch West- und Osteuropa. Der 1935 in Niederschlesien geborene Künstler studierte an der Düsseldorfer Kunstakademie und lebt seit 2003 im sächsischen Meißen.

Palette mit Aquarellfarben im Atelier von Wolfgang E. HerbstSilesius, Meißen im Oktober 2020 | Foto: Adam Dreessen

Ich bin im Alter von 37 Jahren durch eine Anekdote an die Akademie gekommen. Ich habe einen Professor kennengelernt beim Bier. […] Ich habe ja immer gezeichnet, mein ganzes Leben lang, von Kind auf, aber nur für mich. Und irgendwann einmal in diesem Gespräch wollte er wissen, was ich bisher so gemacht habe, da habe ich gesagt, ich hätte immer autodidaktisch gezeichnet und wollte immer Maler werden. Ich höre mich das noch sagen: »Wie kann ich einen Studienplatz erhalten?« Da sagte jener Professor, es war Rolf Sackenheim aus Düsseldorf: »Fangen Sie doch bei mir an.« Da bin ich erst einmal so verdutzt gewesen, weil ich hatte das ja nicht für möglich gehalten, dass das so einfach ist an der Kunsthochschule ein Studium aufzunehmen. Ich hatte ja kein Abitur. Da sagte ich: »Verarschen kann ich mich selber!«, »Nein!« entgegnete Rolf Sackenheim. Daraufhin fragte ich: »Na wann kann ich denn mit dem Studium beginnen?« Er meinte: »Na jetzt!« Dann habe ich das auch gemacht. Seitdem hatte ich auch ein Zuhause. Es war sozusagen das erste Mal, dass ich ein Gefühl von einem Zuhause hatte, das ich betreten und verlassen konnte, wann ich wollte. Rolf Sackenheim sagte zu mir: »Ich will auch nichts von Ihnen, Sie machen Ihre Sachen hier und dann sehen Sie zu, wie weit Sie damit kommen.« Dann sind wir miteinander bis zum Meisterschüler gekommen – immerhin.

Wolfgang E. HerbstSilesius

Wolfgang Erich Herbst, wie er mit bürgerlichem Namen heißt, ergreift 1972 nach Ausbildungen als Bäcker und Schriftsetzer die Gelegenheit seine künstlerischen Ambitionen zu professionalisieren. Mit 37 Jahren erhält er die Chance von Rolf Sackenheim (1921-2006), Professor für Druckgrafik an der Düsseldorfer Kunstakademie, ein Studium der bildenden Kunst aufzunehmen. Bedingt durch den zweiten Weltkrieg zählte Sackenheim einst selbst zu den Spätstudierenden seiner Generation. 1959 nimmt er an der II. Documenta teil. Neben Peter Brüning (1929-1970), Karl Otto Götz (1914-2017) und Hans Hartung (1904-1989) gehört Rolf Sackenheim zu den prägenden Künstlern des deutschen Informel in der Nachkriegszeit. Aber auch andere Dozenten kreuzen den Weg des frisch Immatrikulierten Wolfgang E. Herbst.

Also auf jeden Fall traf ich Joseph Beuys, mit dem habe ich oft zu tun gehabt und Gespräche geführt. Ich habe aber sein Angebot bei ihm zu studieren nicht angenommen, weil ich in diesem Zusammenhang keine Anthroposophie-Lehre machen wollte. Ich habe durchschaut, dass ein Großteil seiner künstlerischen Arbeiten von anthroposophischen Ideen Rudolf Steiners beeinflusst war, das hat durchaus auch seine Qualitäten. Aber ich war gerade froh, dass ich mit mir und der Religionsfrage einigermaßen ins Reine gekommen war, und wollte nicht schon wieder eine Neue beginnen. Aber es war immer sehr interessant, sich mit ihm zu unterhalten.

Wolfgang E. HerbstSilesius
Blick in das Wohnatelier von Wolfgang E. HerbstSilesius, Meißen 2020 | Foto: Adam Dreessen

Indirekt profitierte Wolfgang E. Herbst jedoch vor allem von dem von Joseph Beuys (1921-1986) eingeführten erweiterten Kunstbegriff. Dieser hatte 1967 die Kunstakademie selbst zum Gegenstand seines Aktionsprogrammes erhoben. Sie sollte nicht länger die privilegierte Spielwiese für einige ausgewählte Künstler sein, ein staatlich eingegrenztes Narrenfeld ohne eigene Rechtsform. Beuys sieht in der Kunst ein Form- und Gestaltungsprinzip, dass sich als Freiheitsbestimmung auf jede menschliche Arbeit und die Gesellschaft in Gänze bezieht. Folglich ist „jeder Mensch ein Künstler“ und die Kunstakademie der Ort, wo diese Prinzipien in jedem zur Wirksamkeit gebracht werden sollten. Daher müsse jeder, der den Wunsch hege, Zugang zu einem Kunststudium erhalten. 

Dann studierte ich an der Kunstakademie und im Laufe dieser Zeit gab es jenen großen Eklat mit Joseph Beuys. Das Wissenschaftsministerium wollte ihm kündigen, und er ging aber nicht. Er hatte vertragsmäßig auch ein Recht, dort zu sein, die haben ihn vorläufig nicht hinauswerfen können. Was haben sie alles angestellt, um ihm etwas anzuhängen! Später haben sie ihm sein Atelier entzogen, aber nicht sein persönliches Atelier, das hat er bis zum Schluss behalten. Das konnten sie ihm nicht wegnehmen. Also die Professoren hatten ja immer ein eigenes Atelier und späterhin mehrere, zwei oder drei Schülerateliers. Joseph Beuys hatte ja fünfhundert Schüler, daher besaß er wahrscheinlich zwei oder drei Schülerateliers. Eines kenne ich gut.

Wolfgang E. HerbstSilesius

Eine der kontrovers diskutierten Protestaktionen gegen den Aufnahmemodus neuer Studierender an der Düsseldorfer Akademie, führte zur fristlosen Kündigung Joseph Beuys durch den nordrhein-westfälischen Wissenschaftsminister. 1972 hatte Beuys in Berufung auf die Lehrfreiheit gemeinsam mit über 60 Studienbewerbern das Sekretariat der Kunstakademie besetzt. Trotz der als Hausfriedensbruch ausgelegten Aktion wurde sein eingebrachter Antrag erfolgreich beschieden. Dieser besagte, dass jeder Lehrer der Hochschule ganz in eigener Verantwortlichkeit jeden Bewerber, den er in seine Klasse aufnehmen wolle, auch aufnehmen dürfe. 1978 erwirkt Beuys vor dem Bundesarbeitsgericht eine Ungültigkeitserklärung seiner Zwangsemeritierung. Fortan durfte er sein Atelier in der Kunstakademie Düsseldorf bis zur Vollendung seines 65. Lebensjahres nutzen und den Professorentitel behalten. Beuys starb nahezu vier Monate vor seinem 65. Geburtstag.

[…] Als Joseph Beuys äußerte: »Jeder Mensch ist ein Künstler«, kam ich sehr ins Grübeln. Ich saß mit einem Bildhauer Kollegen, in der Kneipe, und der hatte seine Freundin dabei, die war Sekretärin. Beuys hatte riesige Werbebanner in der Stadt plakatiert, mit seiner Botschaft: »Jeder Mensch ist ein Künstler«. Das hatte für große Aufregung in der Öffentlichkeit gesorgt, so auch bei der Sekretärin. Diese sagte dann, wir saßen da fröhlich beim Bier, es wird auch ein Schnaps dabei gewesen sein: »Wenn Du jeden Tag acht Stunden in die Mühle musst, weißt Du, was Du dann noch für ein Künstler bist?«, »Dann fühlt man sich doch verarscht!« Und meine Entgegnung darauf war spontan: »Sieh’ es mal so, der ist sich seiner nicht sehr sicher, wenn er aber behauptet, jeder Mensch ist ein Künstler, hat er Aussicht, dabei zu sein.« Darüber konnten wir dann natürlich lachen. 

Wolfgang E. HerbstSilesius

Wenngleich Wolfgang E. Herbsts lakonische Bemerkung über das berühmte Beuyssche Diktum »Jeder Mensch ist ein Künstler« einen vermeintlichen Abstand zu dessen künstlerischer Konzeption erkennen lässt, so ist doch gerade wenn auch unbewusst, Herbsts eigene Kunst, im Grunde sein Lebenslauf, geradewegs ein Exempel des Beuysschen Leitsatzes, der darauf abzielt jeden Menschen als soziales Wesen zu sehen, das die schöpferische Kraft besitzt, sich selbst und die Welt zu verändern. Herbsts spätere lyrische Entgegnung auf Beuys spricht vom ureigensten Kern künstlerischen Schaffens, den Erfahrungen und Umständen des Lebens, die eine Künstlerpersönlichkeit prägen und sich zwangsläufig in ihr Werk einschreiben.

Das Gedicht, das ich als Entgegnung auf Joseph Beuys Aussage »Jeder Mensch ist ein Künstler« schrieb, thematisierte Folgendes: Nicht jeder Mensch ist ein Künstler, aber jeder Mensch ist begabt. Ich stellte damals fest, es gibt keinen unbegabten Menschen. Das geht gar nicht, jeder Mensch ist in irgendeiner Weise begabt, es muss ja nicht Mathematik sein. Da hätte ich sowieso nicht dazugehört. »Wie jedermann begabt ist. Begabt genug, sich und anderes in irgendeiner Weise zu erklären und zu begreifen. Scheint es nurmehr eine Frage von Kraft und Rückhalt, eine Reihe schnell aufeinanderfolgender Niederlagen, aus welchen zum Beispiel ein Kunstwerk besteht, ertragen zu können. Wenn bei den Anliegen überhaupt etwas zu lernen ist, dann, nicht zu vermeidende Rückschläge dem Bewusstsein nicht vorzuenthalten. Dies mag für jeden denkbaren Einsichtsbereich gelten, in der Kunst ist es beispielhaft notwendig Niederlagen nicht auszuweichen. Um der Wahrhaftigkeit willen.«

Wolfgang E. HerbstSilesius

Das Gedicht »Wie jedermann begabt ist« erscheint 1980 mit zwölf Originalholzschnitten Herbsts als Handpressendruck in der Herbst Presse in Düsseldorf, einer von fünf Künstlerhandpressen, die Wolfgang E. Herbst im Laufe seines Lebens gründen wird. 

Der nunmehr 86-jährige Wolfgang E. Herbst lebt seit 2003 in Meißen, gründete hier gemeinsam mit seiner Ehefrau, der Künstlerin Else Gold die Handpresse Goldgrundpresse und die daraus resultierende Edition Dreizeichen, in der die Kunst- und Literaturzeitschrift, »Das Zündblättchen« erscheint. Trotz seiner Leukämieerkrankung entstehen Bleistift-, Federzeichnungen und Aquarelle, abstrakte, fast vehemente Stimmungsnotate, bisweilen jedoch auch konkrete Portrait-Studien von Mensch und Tier. Meist zeichnet er vom Bett aus, nach Fotografien, studiert die Vögel am Fenster, den Kanarienvogel im Käfig. Begleitet werden die später als geprintete Postkarten versendeten Arbeiten von eigenen Gedichten, narrativen Kurztexten. Diese spiegeln in ihrem mitunter nüchternen, melancholisch gefärbten Tonfall die Situation der eigenen Krankheit, aber auch Beobachtungen zwischenmenschlicher Unzulänglichkeit.

Kanarienvogel im Atelier von Wolfgang E. HerbstSilesius, Oktober 2020 | Foto: Adam Dreessen

 

Ich habe dann versucht, nach Fotografien zu arbeiten. Darauf kann ich heute vielfach zurückgreifen, weil ich mich nicht mehr bewegen kann. Ich kann die Wohnung nicht mehr verlassen und bin zu Hause auf fremde Hilfe angewiesen. So habe ich einige Fertigkeiten entwickelt, vom Bett aus nach Fotografien zu zeichnen und mich dabei auf das Wesentliche zu konzentrieren. In diesem Jahr habe ich begonnen, Portraits zu zeichnen und zu aquarellieren. Bevor mein Gesundheitszustand immer schlechter wurde, habe ich noch Holzschnitte gefertigt. Als mir dann die Arbeit mit dem Drucken zu viel wurde, habe ich begonnen mit dem Bleistift zu zeichnen. Es entstanden sehr viele Bleistiftzeichnungen. Vor allem zeichne ich Dinge, die direkt vor mir liegen, wie diese Blumensträuße, die Else mir hinstellt.

Wolfgang E. HerbstSilesius
Im Atelier von Wolfgang E. HerbstSilesius, Meißen im Oktober 2020 | Foto: Adam Dreessen

1935 wird Wolfgang Erich Herbst im schlesischen Weißstein, einem Stadtteil von Waldenburg geboren, dem heutigen Biały Kamień in Polen. Der Vater ist Bergmann in einer der Zechen, des für Steinkohleabbau bekannten Waldenburger Gebietes. Mit Kriegsbeginn verlässt er die Familie als Soldat. Noch im Mai 1945 lebt Wolfgang Erich allein mit Mutter und Schwester in Weißstein. Doch Auseinandersetzungen mit der Mutter, die allgemeine Hungersnot lassen ihn bald darauf die Familie verlassen. Er ist zehn Jahre alt als er sich einer Gruppe von elternlosen Jungen anschließt.  

1945 kam der Zusammenbruch, da war ich in Schlesien und mein Vater war noch im Krieg. Ich lebte mit meiner Mutter und meiner Schwester zusammen, allgemein herrschte eine Hungersnot in der Bevölkerung. Wir hatten nicht genug zu Essen und einige Jungen wie ich auch, ich war zehn Jahre alt, die streunten in der Gegend herum und bettelten auf den Dörfern um Nahrung. Diese Jungen nannte man damals Wolfsjungen. Sie geisterten in der Gegend umher und suchten etwas Essbares. Es war eine Gruppe von vier, fünf Jungen. Ich schloss mich ihnen an, wir wanderten gemeinsam. Auf diese Weise erreichte ich dann ein Dorf, das hieß Reichenbach. Dort lebte ein Familie Reitzer, die waren ihrerseits auch ausgewiesen worden, aus Galizien, es waren Galizier. Ich habe von ihnen einmal ein Stück Brot bekommen, und habe schließlich gefragt, ob sie nicht Arbeit für mich hätten und ob ich denn dann auch bei Ihnen bleiben könnte. Sie meinten, ja das könnte ich. Daher bin ich auf ihrem Hof gut zwei Jahre geblieben.

Wolfgang E. HerbstSilesius

Auf der Suche nach Nahrung wandert Wolfgang Erich Herbst als Zehnjähriger gemeinsam mit den anderen Jungen tagelang über 100 Kilometer von Weißstein bis in die niederschlesische Stadt Reichenbach. Von Juni 1944 bis Januar 1945 befand sich dort ein Außenlager des Konzentrationslagers Groß-Rosen. Als Herbst in Reichenbach eine galiziendeutsche Familie auf einem Bauernhof kennenlernt, beschließt er zu bleiben. Ende 1939 wurden die meisten Galiziendeutschen durch sowjetische Truppen nach Besetzung der Gebiete in Südpolen und der Westukraine in das Deutsche Reich umgesiedelt, wozu zum damaligen Zeitpunkt auch der historische deutsche Osten mit Schlesien und somit Reichenbach zählte. Wolfgang Herbst findet bei den Bauern in Reichenbach eine Anstellung als Hütejunge und Hilfsarbeiter. Ohne Kontakt zu seiner eigenen Familie bleibt er zwei Jahre von 1945 bis 1947 bei einer Familie des Hofes.

Meine Eltern wussten gar nicht wo ich abgeblieben bin. Das Verhältnis zwischen meinem Elternhaus – oder meiner Mutter und mir – war sehr schwierig, immer schon von klein auf, warum auch immer. Ich war ein ungewolltes Kind. Wir hatten immer Not miteinander. Sie wollte, dass ich besser sei als die Voraussetzungen, die sie mir geben konnte. Sie hat natürlich versucht, mich immer dahin zu triezen, was sie unter besser verstand, ich hingegen überhaupt nicht. Nun ja, jedenfalls bin ich bei den Galiziern geblieben. Es waren zwei Familien auf dem Hof, Reitza und Betella. Ich war bei Betella auf einem 40-Morgen-Hof. Dort habe ich alle landwirtschaftlichen Arbeiten geleistet, soweit meine Kräfte als Kind eben reichten. Die Arbeiten reichten von Stallarbeiten über Feldarbeiten bis hin zum Kühe Hüten im Sommer. Zehn oder zwölf Kühe waren da im Stall. Die habe ich also gehütet. Dafür musste ich hinauf auf einen Berg, immer jeden Morgen. Die Bauern haben mich gut behandelt, also ich hatte satt zu essen. Melken konnte ich dann auch, daher hatte ich immer Milch draußen im Freien. Im Sommer konnte ich mir ein Feuer machen und darüber Kartoffeln braten, ich hatte ausreichend zu essen. Mit den Kühen musste ich immer durch einen Hohlweg, die Gegend dort war ja sehr bergig. Diesen Hohlweg an einer Böschung passierte ich mit den Kühen jeden Tag. Ich lief übrigens nicht vorneweg, sondern trieb die Kühe von hinten an. Vorn ging die Leitkuh, das Mistvieh, die hieß Minna und machte was sie wollte, sie zog häufig nicht und so konnte ich hinterherlaufen. Ich war sozusagen die zwölfte Kuh. Auf unserem Weg kam immer ein Fleckchen Erde, ein Placken möchte ich es mal nennen, so sagen die Westfalen dazu. Die Westfalen sagen auch Drubbel, so ein Drubbelchen befand sich dort. Dieses Flecken Erde war etwas ganz Besonderes. Man muss sich vorstellen, das war ein Rain, der aber kahl war. Die Erde dort war rot, es war also eisenhaltige Erde und aus dieser Kahlheit, es war sehr steinig, da wuchs etwas heraus aus einem solchen Steindrubbel. Steinnelken wuchsen da, das sind meine Lieblingsblumen. Steinnelken und ein paar Blätter Wegerich wuchsen auf diesem kargen Fleck. Die Farbigkeit von diesem Placken, die hat sich bei mir so eingegraben, so verinnerlicht, dass das meine Farbvorstellung geworden ist. Das ist meine Farbigkeit, die in mir verwurzelt ist. 

Wolfgang E. HerbstSilesius
Aquarellfarben und Palette im Atelier Wolfgang E. HerbstSilesius, Meißen 2020 |Foto: Adam Dreessen

Während jener Jahre, fern vom Einfluss der eigenen Familie führt Wolfgang E. Herbst ein autonomes Leben. Frei von Zwängen und Regeln, denen Kinder seines Alters sonst unterworfen sind, lebt er im Sommer im Freien, verdient sich seinen Lebensunterhalt, wobei er den Schulbesuch keineswegs vermisst. In seiner kindlichen Beobachtung der kargen Landschaft des schlesischen Eulengebirges beeindruckt ihn die Farbigkeit eisenhaltiger Erden, seltene Pflanzen und der nächtliche Himmel, Erlebnisse, die seine spätere Farbvorstellung als Künstler und die eigene malerische Technik prägen werden.

Ich bin dann zunächst bei den Bauern geblieben. Die hatten mir ein Bett aufgestellt in der Getreidekammer, so ein altes Paidi-Bett. Darin habe ich übernachtet, sommers wie winters, mit Flöhen. Flöhe kannte ich ja bis dahin noch gar nicht. Aber es waren ziemlich viele. Auf diesem Hof habe ich dann gearbeitet und die Arbeiten habe ich alle sehr gerne gemacht. Ich habe immer wieder gesagt, das war die schönste Zeit in meinem Leben. Diese zwei Jahre. Die Bauern waren freundlich zu mir, obwohl die Deutschen in Schlesien nach 1945 ja sehr unbeliebt waren. Aber die saßen ja auch nur im Glashaus, waren ja auch nur vertrieben worden. […] Außerdem erlebte ich dort als Kind die überwältigende Erfahrung der Einsamkeit. Abends, wenn die Sterne leuchteten in diesem unendlichen, schwarzen Himmel, da entwickelte sich in mir auch eine Art von Angst. Angst kann man es nicht nennen, aber es entstand ein Gefühl der Ohnmacht angesichts des Unheimlichen oder Ungeheuerlichen, das dieser Sternenhimmel verkörperte. Dann kamen in mir immer Fragen nach der eigenen Existenz auf, ich konnte nicht begreifen, woraus dieser Himmel bestand. Es bedrängten mich Fragen und Ängste, die mich mein Leben lang, vor allem in meiner Kunst begleitet haben. 

Wolfgang E. HerbstSilesius

Seit den 1970er Jahren entstehen Herbsts Kaseintempera-Malereien, die von der Düsseldorfer Kritik mit den abstrakten filigran-kalligraphisch anmutenden Kompositionen des Amerikaners Mark Tobey verglichen werden. Von 2012 bis 2020 greift Herbst die kompositorische Thematik in seiner Werkgruppe der »Kosmischen Klangbilder« erneut auf. Auch hier verwendet er kunsthistorisch tradierte, organische Bindemittel wie Kasein oder Eidotter für seine selbst hergestellten Farben. Da Eitempera eine geringe Deckkraft besitzt, werden die einzelnen Farbschichten in dünnen Strichlagen mit jeweils langen Trocknungsphasen aufgetragen. Der Künstler entwickelt auf diese Weise ein Geflecht, aus dem das Weiß der grundierten Leinwand hervor schimmert. Darüber leuchten Schlingen aus Cyan von fliederfarbenen zarten Schleiern bedeckt, die wiederum umwoben werden von zinnoberroten, tänzelnden Linien, um erneut von einem Netz aus ultramarinblauen und orangenen, serpentinartigen Fäden eingesponnen zu werden. Der Farbauftrag ist feingliedrig und fast lasierend zu nennen, er lässt uns jede der Schichten wahrnehmen. Die räumliche Differenz der tiefer- und höherliegenden Farblagen wird geradezu nivelliert. Lediglich tonale Unterschiede erzeugen einen Eindruck von Raum. 

Wolfgang E. HerbstSilesius: Ausschnitt aus „Kosmischer Klang“, 40 x 50 cm, Eitemperamalerei auf Karton, 2012 | Foto: Else Gold

Ja und das gehört zu meinem künstlerischen Gesamtkonzept, dass ich alles, was man selber machen konnte, auch selber machen wollte. Vielleicht resultierte dieses Bestreben aus den negativen Äußerungen meiner Mutter, die immer sagte: »Lass das sein, das kannst Du nicht, Du hast zwei linke Hände.«

Wolfgang E. HerbstSilesius

1945 übergab die Rote Armee die nahezu unzerstörte Region Waldenburg der Verwaltung der Volksrepublik Polen. Waldenburgs einheimische deutsche Bevölkerung wurde, soweit sie nicht schon vorher geflohen war, 1946 bis 1947 größtenteils vertrieben. Zahlreiche Deutsche, die für das Funktionieren der Wirtschaft unverzichtbar waren, blieben vorerst im Land. Es waren überwiegend Facharbeiter des Bergbaus, die für die Förderung der Kohle benötigt wurden. So auch Herbsts Vater, der verwundet aus dem Krieg nach Weißstein zurückkehrte, dort arbeitete er bis zur endgültigen Ausweisung aller Deutschen in einem der Bergwerke. 1948 verlassen Wolfgang E. Herbst und seine Familie mit einem der für die Ausweisung organisierten Transportzüge das Waldenburger Gebiet. Güterwagen bringen sie in mehrtägiger Reise in ein Aufnahmelager der sowjetischen Besatzungszone im sächsischen Riesa. 

Unterdessen hatte meine Familie herausgefunden wo ich abgeblieben war. Meine Mutter hatte nachgeforscht. Interessanter Weise hat mir meine Mutter nicht gefehlt, ich war sehr froh dort bei den Bauern. Ich hatte meine Freiheit, ich brauchte nicht in die Schule zu gehen, ich habe ja in der Zeit keine Schule besucht. Das war natürlich später einmal ein Nachteil, aber wiederum auch ein Vorteil, weil mich keine Schule verblödet hat, ja. [Lacht]. Die Familie hatte mich also aufgespürt und im Spätherbst kam mein Vater und sagte: »Wir müssen raus!« In dieser Zeit wurde die restliche deutsche Bevölkerung aus Schlesien ausgewiesen. Mein Vater meinte daher: »Ich muss Dich mit nach Hause nehmen.« So sind wir von Waldenburg in Viehwaggons transportiert worden. Es waren immer dreißig Leute in einem Waggon, mit wenig Gepäck, das was man eben so mitnehmen durfte oder konnte. In Riesa sind wir nach etlichen Tagen ausgeladen worden. Diese Fahrt hat sehr lange gedauert, immer wieder gab es Unterbrechungen, warum auch immer. Die polnischen Soldaten suchten immer Leute in den Waggons, die nicht ausreisen sollten. Man hörte auch immer Schüsse, insgesamt war es eine ganz merkwürdige Reise. Naja dann waren wir in Riesa und sind hier sehr schlecht untergekommen, bei einem Bäcker. Interessanter Weise bei einem Bäcker, in Bernsbach, in einer Dachkammer, mit vier Leuten ohne Heizung. Es wurde ja schon Winter. 

Wolfgang E. HerbstSilesius

In einem Bericht des Bundesarchivs über Gewalttaten der Vertreibung wird zur Lage in Polen u.a. festgestellt, dass es auch zu willkürlichen Erschießungen der Schlesischen Bevölkerung kam. Gewalttaten dieser Art sind Wolfgang E. Herbst in Erinnerung geblieben. Nach Ankunft im Riesaer Aufnahmelager zieht er mit seiner Familie in das erzgebirgische Bernsbach. Dort findet der Vater 1946 Arbeit als Bergmann bei der Wismut AG, die im Auftrag der UdSSR in der Region um Aue Uranlagerstätten sucht und bald darauf mit der Förderung des radioaktiven Schwermetalls beginnt. Wolfgang Erich Herbst hingegen trennt sich erneut von der Familie. Um sein tägliches Auskommen zu sichern, arbeitet er bei einem Bauern.

Ein Onkel von mir lebte mittlerweile in Westfalen, er war schon sehr viel früher nach Westfalen deportiert worden. Die Bevölkerung in der britischen Besatzungszone durfte bereits reisen, das war 1947, und mein Onkel kam uns also im Erzgebirge besuchen. Ich habe zu diesem Zeitpunkt gar nicht bei meiner Familie gewohnt. Ich hatte mich wieder bei einem Bauern verdingt, bei einem erzgebirgischen Bauern, der mich sehr übel behandelt hat, aber richtig schlecht. Also so schlecht haben mich die Polen nie behandelt. Es war eine ganz üble Zeit für mich und daher hatte ich keine Schwierigkeiten als mein Onkel mich fragte, ob ich mit ihm nach Westfalen gehen wolle. Ich stimmte zu und so sind wir vom Erzgebirge aus zu Fuß nach Westfalen gewandert.

Wolfgang E. HerbstSilesius

Im münsterländischen Ascheberg wird Wolfgang E. Herbst 1950 seine versäumte Schulbildung mit einem Abschluss der achten Klasse nachholen. Ein Jahr darauf beginnt er in Lünen in Nordrhein-Westfalen eine Bäckerlehre. Bedingt durch eine Mehlstauballergie folgt eine Ausbildung als Schriftsetzer. Bis 1961 arbeitet er schließlich als Metteur für die Mendener Zeitung im Sauerland. Anfang der 1950er-Jahre erscheinen die ersten Taschenbücher im Fischer Verlag. Auf diese Weise entdeckt Herbst in jenen Jahren die mäeutische Gesprächstechnik des antiken Philosophen Sokrates.

Mein erstes Buch, dass ich überhaupt wissentlich gelesen habe, war von Plato [lacht]. Ich weiß nicht mehr genau, ich glaube mit 17 Jahren fand ich ein Taschenbuch von Plato in einem Buchgeschäft. Da dachte ich bei mir: »Das kannst Du lesen!«, es hieß: »Plato, Sokrates im Gespräch« herrlich! Ich habe dieses Buch also gesehen und überlegte zunächst wer denn Plato sei und was es mit einem solchen philosophischen Dialog auf sich hätte. Damals war ich in der Bäckerlehre, im Ruhrgebiet, in Lünen. Da gab es eine Buchhandlung und zu dieser Zeit kamen die Taschenbücher gerade auf. Die hatten also mein Interesse geweckt, weil ich ja kein Geld hatte, nur ein kleines Taschengeld als Lehrling. Mit fünf Mark in der Woche musste ich aber auch meine Wäsche bewältigen und alles Übrige. Also das war sehr wenig, und ich konnte also keine gebundenen Bücher kaufen, im Grunde überhaupt keine Bücher. Aber diese Taschenbücher waren relativ günstig. Es war wahrscheinlich ein Fischerbuch »Plato, Sokrates im Gespräch« und auf diese Weise bin ich zur Auseinandersetzung mit der Philosophie gelangt. Ich war begeistert von der Art logischen Denkens und der verständlichen Dialogform, die Platon entwickelt hatte und da war natürlich auch gleich die Sprache das Prägende. […] Jetzt kommen wir wieder an den Anfang, als ich sagte, für mich war es interessant, was kann der Mensch alles aus eigener Kraft leisten. Ich habe sehr früh viele handwerkliche Fähigkeiten erworben. Ich habe ja auch den Beruf des Schriftsetzers erlernt. Im Bereich des Schriftsatzes hatte ich einen sehr guten Typografielehrer bei einer Tageszeitung im Sauerland. Ich habe Ausbildungen als Schriftsetzer und Zeitungsmetteur absolviert. Damals wurden die Zeitungen noch per Bleisatz zusammengestellt, und der Mann der das machte oder die Frau, damals machten es aber keine Frauen, das war schwere Arbeit, man musste die Bleisätze ja selbst tragen, der Mann der das machte, der hieß Metteur, das weiß man heute schon gar nicht mehr. […]

Wolfgang E. HerbstSilesius

Konzertina im Atelier Wolfgang E. HerbstSilesius‘, Meißen 2020 | Foto: Adam Dreessen

Nach zwei Jahren als Gehilfe in einer Münsteraner Buchdruckerei zieht es Wolfgang E. Herbst nach München. Hier kann er überdies den bereits in Münster begonnenen Gesangsunterricht fortsetzen. In Begeisterung für Franz Schuberts Liederzyklen bewirbt er sich an der Hochschule für Musik. Tagsüber findet das Studium statt, während er in Nachtschichten für die Süddeutsche Zeitung arbeitet. Trotz seiner minimalistischen Schulbildung zeigt Herbst eine Affinität für Sprache, besitzt eine gewisse Intuition für Stil und Inhalt, so dass ihm das Korrektorat für einige Jahre anvertraut wird. Überdies trifft er auf die Schwabinger Bohéme der 1960er-Jahre, begegnet Autoren, Regisseuren und bildenden Künstlern wie Herbert Achternbusch (1938–2022) und lernt den Münchner Romancier und Hörspielautor Karl Günther Hufnagel (1928–2004) kennen. Er ist beeindruckt von dessen Erstlingsroman »Parasiten-Provinz« (1960). Herbst schätzt den eigentümlich nüchternen Rapportstil des Autors, der die bundesdeutsche Nachkriegstristesse thematisiert. Hufnagels präziser Blick, der unprätentiöse Schreibstil, beeinflussen Wolfgang E. Herbst, der gleichfalls eine kompromisslose, ja alltagssprachliche Lyrik entwickelt, die teils von unterschiedlichen Idiomen gefärbt, Tagespolitik und eigene Erfahrungen in reimlose Gedichte kleidet.

 […] Zunächst war es ja so, ich habe erst als Schriftsetzer bei einem großen Verlag gearbeitet, dann habe ich gekündigt und bei einem kleinen Verlag gearbeitet. Und dort bekam ich dann eine Bleivergiftung. Da es sich ja um eine Berufserkrankung handelte, konnte man mich nicht fristlos entlassen. Daraufhin hat der dortige Meister dann gefragt, ob ich nicht Lust auf eine Korrektorenstelle hätte, es wäre eine zu besetzen. Er meinte: »Ach Gott, das können wir probieren, dann stellen wir dich ab jetzt als Korrektor ein.« Das haben sie auch gemacht. Das hat auch gut funktioniert, ich bin da eine ganze Weile gewesen. Und dann bin ich an die Süddeutsche Zeitung herangetreten, weil ich dort mehr verdienen konnte. Die haben mich auch eingestellt und ich habe einige Jahre in Nachtschichten als Korrektor für die Süddeutsche Zeitung gearbeitet. Während der Zeit studierte ich auch noch an der Musikhochschule in München. Ich hatte die Prüfung an der Musikhochschule erfolgreich absolviert und wurde immatrikuliert. Erst habe ich noch außerhalb von München in einem Dorf gewohnt, erst später habe ich mir eine Bude in der Innenstadt genommen. Die lag in Schwabing und dort geriet ich sehr schnell, man könnte heute sagen, wie selbstverständlich, in Künstlerkreise. Damals kam gerade die Straßenmalerei auf, sie war ein Phänomen, das in der Öffentlichkeit eine wichtige Rolle spielte. Die Künstler malten draußen auf der Straße, aufs Trottoir. Auf diese Weise lernte ich viele bildende Künstler kennen und über diese wiederum auch Schriftsteller. Vor allem beeindruckte mich Karl Günther Hufnagel (1928–2004), er war ein bekannter Autor, auch im Bereich des Hörspiels. Hufnagel hatte damals seinen ersten Roman geschrieben, einen Nachkriegsroman. Diesen hatte ich gelesen und der löste auf einmal eine Zündung bei mir aus. Bis dahin habe ich mich ja nur immer fort mit meinen Krankheiten durchgequält, es funktionierte ja nichts wirklich. Fortan habe ich mich hauptsächlich in Künstlerkreisen bewegt, und zwar in den Kneipen in Schwabing, damals als Schwabing noch Schwabing war. Karl Günther Hufnagel (1928–2004) war wiederum mit dem Künstler Uli Kasten (1933–2004) befreundet das war ein Maler, der dort auch in der Straßenmalerei herum weste. Und dann war ich mit einer ganzen Reihe von Autoren, zum Beispiel auch mit dem Achternbusch [Autorenfilmer und Maler Herbert Achternbusch (*1938)] befreundet, der ist ja ein bekannter Name. Der war Teil der Szene, und dort fing ich dann an zu malen und zu schreiben, das ging sehr schnell. Ich hatte ziemlich schnell ein großes malerisches Werk zusammengestellt. Ich bekam ziemlich rasch Ausstellungen. Also ich hatte vor allem Holzschnitte gemacht. Damals gründete der Kunsthistoriker Schnetz [Wolf Peter Schnetz (*1939)] in München die »Junge Akademie«. Da gehörte ich dann dazu. Das waren Maler und Schriftsteller. Durch meine Aktivitäten dort habe ich natürlich die Gesangsstudien sehr vernachlässigt, das Studium hat mich auch nicht mehr so interessiert. Weil ich das Gefühl hatte, dass ich diese Leistungen, die dort erforderlich sind, nicht bringen kann, das kann ich ruhig zugeben. Da gibt es Gründe für, es war nicht der Alkohol, sondern es war Unvermögen. Ein ganz bestimmtes Vermögen, was ich nicht hatte, nämlich ein zu schwaches Gedächtnis für Texte zum Beispiel. Ich hatte jedenfalls dann in der »Jungen Akademie« die erste Ausstellung und gehörte zur Szene.

Wolfgang E. HerbstSilesius

Mit dem Aufkommen der Konzeptkunst während der 1960er-Jahre kam es in Westdeutschland zu einem Wiederaufleben privater Handpressen und Künstlerbücher. Unter dem Begriff der Handpresse ist ein Unternehmen zu verstehen, das in Regie seines Gründers Bücher im Handsatz herstellt, die in der inhaltlichen Ausrichtung und ästhetischen Gestaltung seinen Wünschen entsprechen und von ihm allein oder in Kooperation mit anderen produziert werden. Im Unterschied zu Maschinensatz verwendet der Setzer gegossene Typen für den Druck mit der Handpresse. Die Illustration kann dann über entsprechende Drucktechniken wie Radierung, Monotypie oder Holzschnitt erfolgen. 1964 gründet Wolfgang E. Herbst gemeinsam mit dem Autor, Publizisten und späteren Kulturdezernenten (von Regensburg und Erlangen) Wolf Peter Schnetz (*1939) eine eigene Handpresse in München Schwabing. Eine Kniehebelpresse wird in Herbsts Wohnung in der Tengstraße installiert, die er mit seiner Erfahrung als Schriftsetzer und Drucker bedienen kann. Im Sinne eines Kleinverlages entstehen hier in Kooperation mit Künstlern wie Klaus Staeck (*1938), Herbert Achternbusch (1938–2022), Karl Günther Hufnagel (1928–2004) und Uli Kasten (1933–2004) Bücher mit Originalgrafik im Handdruck.

Bekanntheit erlangte die Handpresse unter dem Namen Maistraßenpresse, benannt nach ihrer Adresse in der Maistraße 8, in die sie Wolf Peter Schnetz (*1939) wenige Monate nach der Gründung verlegte.

Publikation der Maistraßenpresse, München 1966 | Foto: Adam Dreessen

[…] Damals hatte V. O. Stomps (1897–1970) mit seiner Handpresse in Stierstadt im Taunus Maßstäbe gesetzt. Wolf Peter Schnetz war sozusagen ein Adept dieser Idee des künstlerischen Kleinverlags. Und der wollte gern eine Handpresse gründen und ich hatte damals eine Wohnung in der Tengstraße, in der das möglich war. Weiterhin beteiligt waren Uli Kasten, Herbert Achternbusch und Klaus Staeck. Wolf Peter Schnetz kam die Idee eine Handpresse mit mir zu gründen, weil ich ja drucken konnte, ich hatte ja die Handwerke Schriftsetzer und Drucker erlernt. Er wollte also eine Druckmaschine kaufen. Ich stimmte dem zu: »Ja, mache ich, ja machen wir, wir machen eine Handpresse auf!« Schnetz hatte bald darauf eine Druckmaschine erworben, die sind ja sündhaft schwer, er besaß eine Kniehebelpresse, und die haben wir in Teilen in den dritten Stock getragen. […] Ja, das war eine kleine Wohnung, zwei kleine Zimmer, dort haben wir sie aufgebaut. Klaus Staeck, der machte damals Holzschnitte, und zwar nicht einfache Holzschnitte, sondern Holzdrucke, im Sinne von Monotypien. Er verwendete Stirnhölzern. Die muss man sich wie Parkett vorstellen, also wie das Holz, aus dem Parkett hergestellt wird. Die Hölzer band er zusammen und druckte die, und ich habe sie ihm dann für die Bücher gedruckt, das waren die ersten Tengstraßendrucke.

Wolfgang E. HerbstSilesius

Herbst gesundheitliche Probleme, Friktionen mit der Schwiegerfamilie, die die Scheidung und das alleinige Sorgerecht fordert – inzwischen ist Wolfgang E. Herbst Vater geworden – bewegen ihn München zu verlassen und somit die Handpresse aufzugeben.

[…] Jedenfalls hat der Schwiegervater mir das Sorgerecht abringen wollen. Die Schwiegerfamilie wollte das Kind behalten. Ich sollte als Vater keine Rolle mehr spielen, sie wollten das Kind behalten und für unsere Hochzeit sorgen und dann natürlich für die Scheidung. Sie meinten, ich hätte dann mit meiner Frau und dem Kind nichts mehr zu tun. Daraufhin meinte ich, das käme gar nicht in Frage. Ich habe dann eine ziemlich lange, elende Zeit erlebt. Doch zuvor hatten uns die Schwiegereltern in der Tengstraße eine Wohnung besorgt. Das war ja auch nicht billig in Schwabing, die Wohnung lag in Schwabing mittendrin. Ich vermutete dann schon nicht mehr, dass sie doch noch die Absicht hegten, uns zu trennen und das Kind wegzunehmen. Dennoch war ich durch meine Arbeit in den Nachtschichten und das Studium tagsüber völlig überlastet. Meine Frau hatte also das Kind geboren, das war auch gesund und ich habe das Kind tagsüber versorgt. Meine Frau war in unserem Wohnhaus im Erdgeschoss in einem Kindergarten angestellt. Also sie hatte es nicht weit zur Arbeit und ich habe den Tag über für das Kind gesorgt, habe Nachtschichten bei der Zeitung gemacht und das Kind habe ich tagsüber auch mit in die Musikhochschule genommen. Es ging alles gut bis zu dem Punkt, als ich zusammenbrach. Es war ein vollkommener Zusammenbruch, ich habe auch sehr viel Alkohol getrunken, ich sag das gerne dazu, damit hier keine schönen Bilder entstehen. Bei mir wurde ein Magendurchbruch diagnostiziert. […] Ich wurde mit Blaulicht ins Krankenhaus gefahren und während ich im Krankenhaus war, haben die Schwiegereltern ihre Tochter und unser Kind heimlich abgeholt. Ich habe beide, meine Frau und das Kind nie wieder gesehen […].

Wolfgang E. HerbstSilesius

Aufgrund der emotionalen und beruflichen Belastung bricht Herbst das Studium an der Musikhochschule ab. Die prekären finanziellen Verhältnisse, die Trennung von seiner Frau und seinem Sohn veranlassen ihn, 1964 von München in das preiswertere Berlin zu ziehen. Hier findet er eine Anstellung als Korrektor beim Berliner Tagesspiegel und zugleich Anschluss in der dortigen Künstlerszene. 

[…] Dann wie gesagt, weil ich ja das Studium in der Musikakademie nicht mehr verfolgt habe, war ich unversichert. Auf einmal hatte ich 30.000 Mark Schulden und zwar durch die Operationen, den Operateur, den habe ich nicht bezahlt, und durch Überschuldung und Umschuldung hatte ich auf einmal eine Menge Gläubiger am Hals und konnte nicht bezahlen und dann bin ich nach Berlin. Dort habe ich mir einen kleinen Laden gemietet, die waren damals noch billig in Charlottenburg, und habe beim Berliner Tagesspiegel angeheuert. Dort habe ich auch gearbeitet und bin auch gleich wieder in Künstlerkreise geraten.

Wolfgang E. HerbstSilesius
Im Wohnatelier Wolfgang E. HerbstSilesius‘, Meißen 2020 | Foto: Adam Dreessen

 

In Berlin ist es vor allem sein Kontakt zum Münchner Autor Karl Günther Hufnagel (1928–2004), der ihm den Zugang zum Künstlerkollektiv der Werkstatt Rixdorfer Drucke ebnet. Dieses bestand aus den Malern und Grafikern Uwe Bremer (*1940), Albert Schindehütte (*1939), Johannes Vennekamp (*1935) und Arno Waldschmidt (1936–2017). Gegründet wurde das Künstlerkollektiv 1963 in Berlin Kreuzberg von Günter Bruno Fuchs (1928–1977). Der Berliner Autor und Grafiker war mit wichtigen Protagonisten des deutschen Literaturbetriebs bekannt. Durch seine Vermittlung pflegte die Rixdorfer Künstlergruppe enge Kontake zu Verlegern und Herausgebern wie Victor Otto Stomps (1897–1970), und Dichtern wie H.C. Artmann (1921–2000) und Ernst Jandl (1925–2000). Diese Verbindung zur zeitgenössischen Literatur blieb für die Arbeit des Rixdorfer Künstlerkollektivs bestimmend. Ihre Drucke, zumeist Text-Bildkombinationen in Form von Kalendern, Mappenwerken und Büchern zeichneten sich durch unkonventionellen Umgang mit Material und Typografie aus. Sie opponierten gegen die Einheit des Schriftsatzes, verwendeten unterschiedliche Schriftformen in verschiedenen Graden und Schnitten, die sie ihren Holzschnitten und Radierungen beigaben. Es entstanden asymmetrische Kompositionen. Wortbilder wurden im Handsatz aus Blei- und Holzlettern gesetzt. Bekanntheit erlangte die Gruppe u. a. durch ihre ereignisreichen Vernissagen und Happenings. Auch Wolfgang E. Herbst findet Gefallen an den Aktivitäten der Werkstatt Rixdorfer Drucke, er kennt die einzelnen Künstler und versucht eine Annäherung an die Gruppe in der Meisengeige, eine damals legendäre Künstlerkneipe in Berlin Schöneberg.

  

[…] Die Werkstatt Rixdorfer Drucke, die traten nie ohne einander auf, das waren fünf Leute, die Führung der Gruppe hatte Günter Bruno Fuchs und die westen in der Meisengeige, das war da sozusagen das kulturelle Zentrum, da traf man sich eben, das war das kulturelle Zentrum von Berlin überhaupt. Und dadurch, dass ich schon diese Verbindungen von München mitgebracht hatte, war ich auch gleich bekannt mit allen. Die Werkstatt Rixdorfer Drucke müssen Sie wissen, die hatten damals schon eine wichtige Bedeutung in der Kunstwelt. Wenn die auftraten, war der Raum erleuchtet. Ich kannte die alle, im Einzelnen habe ich auch mit ihnen verkehrt. Aber zusammen ließen sie mich nicht in die Gruppe, nicht einmal in der Öffentlichkeit. Das hatte mich so in Rage gebracht und als ich eines Abends von der Arbeit kam, bin ich nachts noch in die Meisengeige gegangen. Das waren immer anderthalb Stunden von Charlottenburg zu Fuß bis in die Meisengeige und wieder zurück. Deswegen bin ich ja dann zusammengeklappt, das hält ja kein Pferd aus. Jedenfalls saß ich dann alleine am Tresen und trank dann das, was es eben dort gab und die Leute von der Werkstatt Rixdorfer Drucke saßen immer an einem Tisch da und ließen die Sau raus, aber sämtliche Säue, die da rum liefen oder die es da gab. Irgendwie hat mich so das Fell gejuckt, das war ja Winter, draußen war alles vereist, da habe ich mir den Handschuh ausgezogen, bin zu ihnen hingegangen, habe den Handschuh auf den Tisch geworfen und habe zu Günter Bruno Fuchs gesagt: »Ich werfe Dir den Fehdehandschuh hin.« Das hing mit den Pressengeschichten zusammen. Irgendwie war es doch Blödsinn, jedenfalls die waren so beleidigt, dass sie stante pede aufstanden und raus gingen und verschwanden. Seitdem hatte ich in der Szene auch verloren. Ein angeblicher Sohn von Bert Brecht, der sah auch so aus wie Brecht, er gehörte zumindest extern zur Gruppe dazu und saß immer bei ihnen. Nachdem sie also die Kneipe verlassen hatten, bin ich hinter ihnen her gegangen und da standen sie draußen noch in der Gruppe und da plärrte jener Brecht-Sohn über die Gruppe hinweg zu mir: »In unseren Kreisen sind Sie unerwünscht!« Das wurde dann in Berlin ein geflügeltes Wort: »In unseren Kreisen sind Sie unerwünscht.« [Lacht]

Wolfgang E. HerbstSilesius

Atelier von Wolfgang E. HerbstSilesius, Meißen 2020 | Foto: Adam Dreessen

Bald darauf eröffnet sich Wolfgang E. Herbst doch noch eine Möglichkeit, sein künstlerisches Können unter Beweis zu stellen. Er zeigt dem Münchner Autor Karl Günther Hufnagel (1928–2004) eines seiner Gedichte. Dieser ist beeindruckt und vermittelt Herbst an den bedeutenden, wie eigenwilligen Verleger Victor Otto Stomps (1897–1970). Dieser betrieb bereits bis 1937 die Berliner Rabenpresse. Aber vor allem mit der von 1949 bis 1967 aktiven Eremiten-Presse in Stierstadt im Taunus etablierte Stomps in der deutschen Buchkunstszene einen alternativen Gegenpol zu konventionellen Verlagspublikationen. V. O. Stomps macht es sich zur Aufgabe abseits vom literarischen Mainstream und zeitgebundenen Tendenzen jungen, gemeinhin unbekannten Autoren eine Plattform zu bieten. Diese arbeiten im Gegenzug honorarfrei, setzen, drucken und binden ihre Bücher selbst. Verwendet wird ein sehr begrenztes und zugleich abgenutzten Typenmaterial, gedruckt wird auf geschenktem Papier und gemalt mitunter direkt in die Maschine, um Klischeekosten zu sparen. Stomps kultiviert den Mangel und findet dank des Elans seiner Autoren und Künstler reichlich Nachfolger. Zu den bekanntesten zählt wohl die bereits vorgestellte Werkstatt Rixdorfer Drucke in Berlin. 

Auch Wolfgang Herbst wird nun 1966 nach Stierstadt in den Taunus eingeladen gemeinsam mit dem Maler und Grafiker Uli Kasten (1933–2004) ein Buch zu produzieren. Kasten zeichnet für die Illustrationen verantwortlich. In der als Verlags- und Wohnhaus genutzten Scheune, genannt Schloss Sanssouris, arbeitet Herbst am Druck seines ersten eigenen Buches, dem Langgedicht »Kehr die Straße glücklicher«. In Stierstadt im Taunus lernt den Verleger Victor Otto Stomps persönlich kennen.

Der Stomps, wie war er, immer schlecht rasiert. Eher kleinwüchsig, eher etwas breit, aber nicht dick, eher breit als hoch. Eher ein etwas cholerischer Typ. Ja Stomps war ein höhergradiger Offizier im zweiten Weltkrieg gewesen. War in englischer Gefangenschaft und war selbst Literat und hatte aber immer ein Faible für das aktuelle Literaturgeschehen. In seiner Gefangenschaft erhielt er die Erlaubnis eine Gefangenenzeitung zu gründen, und zwar mit einer Druckerpresse in Halbautomatik, es gab natürlich auch Schriftsätze. Es waren ja auch Schriftsetzer unter den Gefangenen. Stomps ist frühzeitig entlassen worden, ist dann nach Frankfurt am Main in die dortige Künstlerszene geraten. Dort wollte er wieder einen Verlag gründen, er hat immer gern veröffentlicht. Bald darauf gründete er also in Stierstadt im Taunus die Eremiten-Presse. Dort haben alle damaligen Newcomer gedruckt. Da sind eine ganze Reihe bekannter Autoren darunter, Stierstadt war in dieser Hinsicht ein Zentrum für Literatur. Dennoch war es für unbekannte Literaten schwer, Stomps als Verleger zu gewinnen. Und ich hatte in meinen Freizeiten, wenn es überhaupt welche gab, das Langgedicht »Kehr die Straße glücklicher« geschrieben. Es ist ein sehr gutes Gedicht übrigens. Karl Günther Hufnagel las das und war auch ganz angetan davon, dass ich das zustande gebracht hatte. Hufnagel hatte also die direkte Verbindung zum V. O. Stomps, der wiederum auch Uli Kasten nahe stand, der sich öfter in Stierstadt aufhielt. Karl Günther Hufnagel hat Uli Kasten mein Manuskript für V. O. Stomps mitgegeben. Dieser hat das dann gelesen und es auch drucken wollen. Als Autor musste man bei Stomps alles selber setzen und selber drucken und binden auch noch. Alles musste man selber machen mit einer kleinen Handpresse. Während dieser Zeit der Buchherstellung hatte man dort Unterkunft und bekam nach Fertigstellung der Auflage 20 Freiexemplare als Autor oder Künstler. Also das Buch habe ich mit meiner eigenen Hand gesetzt, gedruckt und jetzt kommt wieder so eine Geschichte. Uli Kasten hat sich zur Bedingung gemacht, dass er die Grafiken machen darf, dann würde Stomps den Druck meines Gedichts genehmigen. Uli Kasten hat sich regelrecht eingemischt. Mir war es recht.  Kasten hatte einen Namen, damals schon. Und dann haben wir die Auflage zusammen hergestellt und irgendwie auch nicht zusammen. Uli hat dabei angeblich die Kontrolle gehabt und die Bierflasche in der Hand gehalten, damit die nicht umfällt. Also ich habe es eigentlich alleine gemacht.

Wolfgang E. HerbstSilesius

Doch als das Gedicht bereits angedruckt ist wird Herbst zu einer Unterredung mit dem Verleger V.O. Stomps gebeten. Letzterer ist besorgt wegen der Formulierung  »Beamtenschwein« in Herbsts Langgedicht, eine Formulierung, die damals durchaus einen Affront auslösen konnte.

Victor Otto Stomps hat mir also jetzt die Möglichkeit für den Druck meines Gedichts zugesichert. Er hat das Papier besorgt, das machte er alles. Ich wollte auf Packpapier drucken und das wurde alles nach meinen Vorstellungen eingerichtet. Stomps hat seine Technik zur Verfügung gestellt, eben auch für die grafischen Druckverfahren. In diesem Falle war es etwas ganz Besonderes, ich habe mich auch erst damit vertraut machen müssen. Es handelte sich um Mehrfarbendruck, das nannte Stomps Illuminationsdruck, eine ziemlich komplizierte Sache, dem Lichtdruck sehr ähnlich. Dann haben wir aber das Buch fertig gestellt trotz der vielen Ablenkungen, wie der herumstehenden Bier- und Schnapsflaschen. […] Das Buch war auch ziemlich schnell vergriffen, das war eine recht bekannte Reihe, in der es erschien. Es ist auch eine gute Sache geworden, aber es wäre eben beinahe fast gescheitert. Denn der Inhalt des Gedichts beruht auf meiner eigenen Geschichte. Es war ja noch nicht lange her, dass ich das Kind und die Frau verloren hatte. Der Schwiegervater, ein hoher Beamter, hatte die Trennung ja forciert und er taucht in meinem Gedicht mehrfach unter dem Titel »Beamtenschwein« auf. Diesen Begriff wollte Stomps nicht zulassen als Lektor und als hoher Offizier und als feinsinniger Mensch. Wir saßen uns also gegenüber und da sagte er: »Den müssen Sie rausnehmen, sonst ist es mir recht.« Ich habe darauf erwidert: »Der ist mir so wichtig, wenn Sie den rausnehmen, gehe ich!« Wir haben uns dann noch lange gegenüber gesessen und haben uns angestarrt. Und schließlich sagte er: »Na dann lassen Sie ihn eben drin!« Aber das Verhältnis war seitdem gestört. Also das war sowieso kein Liebesverhältnis. Diese Angelegenheit hätte für ihn eventuell einen Gesichtsverlust bedeutet. Ich wäre wirklich gegangen. Also ich war ein sturer Hund, immer schon. So haben wir es denn gedruckt. 

Wolfgang E. HerbstSilesius

Zentrale Inhalte des Gedichtes sind quasi-autobiographische Erfahrungen Herbsts, eingebettet in tagespolitische Ereignisse. Der Künstler verarbeitet die Trennung von seiner Frau und dem gemeinsamen Kind. Eine Trennung bestimmt von sozial-gesellschaftlichen Differenzen zur Schwiegerfamilie. Der Schwiegervater, ein Beamter in gehobenem Dienst erzwingt die Ehe beider, um der ehelichen Geburt des Kindes willen. Sogleich wird jedoch die Scheidung in Abwesenheit des unliebsamen Ehemannes arrangiert. Besagter Schwiegervater kursiert in Herbsts Gedicht als  »Beamtenschwein«, ebenso wie eine unsägliche, geradezu Unglück verheißende Fürsorgerin, der keine eigenen Kinder vergönnt sind. Den Gegensatz zwischen Arbeitern und höheren Verdienstklassen markiert Herbst durch Einschübe im Fließtext. En passant spürt man die allgemeine politische Stimmung des Kalten Krieges in der Bundesrepublik, die noch 1961 aus Angst vor einem potentiellen Krieg zwischen Nato und Warschauer Pakt Staaten ihre Bevölkerung unter der  »Aktion Eichhörnchen« dazu aufrief, eine Notfallration für jeden Haushalt anzulegen. 

1966 erscheint Wolfgang Herbsts Langgedicht mit Illustrationen von Uli Kasten (1933–2004) als 17. Band in der literarisch-graphischen Reihe »Passgänge«. Von 1964 bis 1967 publizierte Stomps in seiner Eremiten-Presse insgesamt 22 Bände jener Reihe illustrierter Bücher mit Beiträgen verschiedener Autoren und Künstler. Mehrfarbige Holzschnitte zieren den Einband und acht weitere Seiten der Herbstschen Ausgabe. Gedruckt wurde sein 42 Seiten umfassendes Gedicht »Kehr die Straße glücklicher« mit dem Untertitel »Aufzeichnungen eines Magenkranken« auf rotbraunem Packpapier in japanischer Bindung. Es erschien in einer Auflage von 350 Exemplaren im Oktavformat. Auch literarisch kann man von einem Experiment sprechen. Der Typus des sogenannten Langgedichts wird ein Jahr vor Erscheinen des Werkes 1965 in der Literaturzeitschrift »Akzente« thematisiert. Walter Höllerer (1922–2003), der Herausgeber der Zeitschrift, spricht sich für lyrische Arbeiten größeren Umfangs aus. Zugleich argumentiert er, dass das lange Gedicht sich für eine Auseinandersetzung mit gegenwärtigen Realitätserfahrungen eigne. Das lange Gedicht sei bereits eine Form der politischen Äußerung, die zugleich Raum für Opposition biete, alles solle darin Platz finden, Hoch- und Unkultur seien willkommen. Höllerer fordert von elaborierter, elitärer Sprache Abschied zu nehmen, beruft sich v. a. auf angloamerikanische Werke wie T.S. Eliots »Waste Land« oder Walt Whitmans »Leaves of Grass«. Diese könnten als Vorbilder für deutschsprachige Lyriker fungieren. 

Wolfgang E. Herbst trifft mit »Kehr die Straße glücklicher« unbewusst den Kern der Forderungen des Literaturkritikers. In Versen freier Lyrik bedient er sich der Montage. Er durchsetzt die eigene Dichtung häufig mit unterschiedlichen Texten anderer Medien und Literaturgattungen. Herbst arbeitet mit Bibelzitaten, fügt hin und wieder Strophen romantischer Kunstlieder und Gedichte ein, nutzt populäre Film-, Buchtitel, Schlager- und Operettentexte der 1950er und 1960er-Jahre, ja mitunter Verwaltungsrhetorik, um unterschiedliche Sprachebenen- und Stile hervorzurufen.

In den folgenden Jahren bleibt Wolfgang E. Herbsts Gesundheitszustand instabil. Die Gläubiger aus München verfolgen ihn auch in Berlin. Er zieht zur Mutter in das münsterländische Davensberg. Ende der 1960er-Jahre arbeitet er wieder als Korrektor, diesmal bei den Westfälischen Nachrichten in Münster. Hier lernt er bald darauf seine zweite Frau kennen.

Dann bin ich nach Münster gezogen und habe begonnen bei den Westfälischen Nachrichten zu arbeiten. Das waren sehr prekäre Lebensumstände, ich hatte 30.000 Mark Schulden. Das war damals ein Wahnsinnsgeld, das konnte ich nicht abbezahlen. Ich habe übrigens späterhin drei Jahre ehrendienstliche Arbeit im Gefängnis in Düsseldorf geleistet. Ich weiß also wie die Gänge funktionieren, die Gefangenen haben dann soviel Schulden, wenn sie entlassen werden, das können sie vergessen, die kommen da nie wieder in ein normales Leben rein. Das war mir eben auch passiert. Jetzt gab es die Möglichkeit, ich ertrinke im Schuldenberg, ich gebe auf, was ja immer nahe lag. Ich habe mich aber dazu entschlossen, mir in Münster wieder eine Arbeit zu suchen, bei der Mutter konnte ich nicht bleiben. Somit bin ich dann nach Münster gezogen, habe dann bei den Westfälischen Nachrichten angeheuert, die haben mich auch genommen, ich habe da immer gute Arbeit abgeliefert. Ohne Abitur und ohne ausreichende Schulbildung, das ist ja durchaus erstaunlich. Sprache beherrscht man oder man beherrscht sie nicht. Aber ich war da gut drin, sogar so gut, dass man mir immer die Imprimaturen zugeschanzt hat. Das war die letzte Lesung der Seite, die Imprimatur, da musste man auch auf Stilistik und solche Sachen achten. Bei den Westfälischen Nachrichten hatten wir jetzt einen jungen Buchhalter. Dieser Buchhalter kam eines Tages zu mir und legte mir die ganzen Zahlungsbefehle auf den Tisch und sagte: »Schauen Sie mal, das habe ich jetzt hier reinbekommen, die Zahlungsbefehle für Sie gingen an die Firma, was machen wir damit?« Daraufhin haben wir uns unterhalten und die Quintessenz war dann die, dass er sagte: »Ich biete Ihnen Folgendes an: Bringen Sie jetzt alles was noch ansteht, legen Sie mir das auf den Tisch, machen Sie Ihre Arbeit weiter und ich bediene jetzt sukzessive die Gläubiger und schreibe sie an, so wie Sie können und wie ich kann.« Als Korrektor verdiente man gutes Geld, so ist es nicht. Und dann habe ich über die Jahre unter seiner Koordinierung alles abbezahlt, so dass ich also schuldenfrei wurde. Ich habe zum Zeitpunkt meiner Verschuldung auch keine Verhältnisse eingehen können. Das hätte ich mich gar nicht getraut, mit dieser Last im Rücken. Ich war ja nicht gesellschaftsfähig sozusagen. Dann habe ich mir eine kleine Wohnung in Münster angeschafft, als ich die Schulden abgetragen hatte. In Münster lernte ich auch meine zweite Frau Annegret kennen, über einen Freund von ihrer Freundin, die kamen mich besuchen in der Wohnung. Damals gab es sehr starken Schnaps, der hieß Ratzeputz, das war so ungefähr das Stärkste was es gab. Und da habe ich Annegret etwas linken wollen, der Freund von der Freundin war ohnehin Berufstrinker, dem hat das nichts ausgemacht. Die Freundin selbst hat nur genippt, die Annegret jedoch, die kippte den so runter, und ich gucke sie immer an, ob sie denn umfällt und dann sagte sie so ganz trocken: »Ja, ist ein bisschen stärker als Underberg.« Das hat mich tief beeindruckt. Also aufgrund der Firma Underberg sind wir dann zusammengeblieben. […] Ich hatte ja nichts, es war ja alles an die Gläubiger gegangen, aber das was ich jetzt verdiente, konnte ich ja behalten und habe dann auch zwanzig Jahre lang mit Annegret zusammengelebt.

Wolfgang E. HerbstSilesius
Atelier von Wolfgang E. HerbstSilesius, Meißen 2020 | Foto: Adam Dreessen

Die Zeit der 1970er-Jahre ist geprägt vom Studium an der Düsseldorfer Kunstakademie, Herbst beendet das Meisterschülerstudium bei Rolf Sackenheim. Bereits während des Kunststudiums erhält er Gelegenheit seine Radierungen und Zeichnungen in Galerien in Bremen, Münster und Darmstadt zu zeigen. Die dichten, von Skripturen durchwebten Kompositionen werden von der Kritik mit Arbeiten Gerhard Altenbourgs (1926–1989) verglichen. Er integriert Schlagworte, Sprichwörter und Schlagertitel in nahezu manierierten Zeichnungen, die Ähnlichkeit mit Arbeiten des phantastischen Realismus aufweisen. Während die grafischen Arbeiten W.E. Herbsts Würdigung erfahren  – Herbst ist Förderpreisträger und Tutor der Düsseldorfer Kunstakademie, 1975 erhält die Klasse Rolf Sackenheims den Grafikpreis der Biennale in Alexandria  – werden seine in Gasthäusern und städtischen Bibliotheken vorgetragenen Gedichte von der Kritik mitunter als »epigonaler Expressionismus« oder »nonchalante Biertisch-Lyrik« abgelehnt. Wolfgang E. Herbsts Gedichte beruhen häufig auf Beobachtungen, die im Idiom des Ruhrgebiets, bisweilen umgangssprachlich in derben Skizzen, alltäglichen Begebenheiten jenseits bürgerlicher Ideale nachspüren. 1973, Wolfgang Erich Herbst ist noch Student und nennt sich nun »der Davensberger«, kommt es zu einer weiteren Begegnung mit Joseph Beuys.

[…] Also ich war befreundet mit einem Schüler von Joseph Beuys, das war der Anatol Herzfeld, der war auch immer gerne unterwegs. Er hatte so einen VW Käfer, er war Verkehrspolizist, fuhr in der Regel mit dem Motorrad in die Akademie und wurde von Beuys als Schüler angenommen, der nahm alle an. Herzfeld war ein sehr großmäuliger Ostpreuße, aber auch ein sehr guter Geschichtenerzähler. Hat aber meist pornografische Geschichten erzählt, also das war sein Lieblingsthema. Anatol Herzfeld hatte eine Arbeitszeit in Dangast anberaumt und zwar in der alten Kirche, wo Künstler der Brücke-Vereinigung früher gearbeitet haben. Die alte Kirche wurde mitverwaltet von dem daneben stehenden Kurhaus Dangast bzw. einem Gastwirt, der ein Künstlerfreund war. Dieser Gastwirt beherbergte uns also dort. Da konnte man sich dann auch verpflegen lassen, also es gab genügend geistige Getränke. Das wollen wir mal betonen. Also die Verpflegung war nicht so wichtig. Gearbeitet wurde sehr viel, aber auch getrunken. Das war eine riesige Zeit, drei Tage lang saßen wir immer abends zusammen und unterhielten uns und es wurde gefachsimpelt über dieses und jenes.

Wolfgang E. HerbstSilesius

Wolfgang E. Herbst lernt während des Studiums den Bildhauer Anatol Herzfeld (1931–2019) kennen. Dieser entwickelte aus den Theorien seines Lehrers Joseph Beuys (1921–1986) das Konzept der »Arbeitszeit«. Kunst solle laut Herzfeld vor den Augen der Öffentlichkeit entstehen. Alle Anwesenden während des Zeitraums einer solchen »Arbeitszeit« sind eingeladen, in einen unmittelbaren und diskursiven Dialog über Kunst zu treten. Herzfeld versteht entsprechend des Beuys’schen Diktums, Kunst als Arbeit und Arbeit gleichermaßen als Kunst. Vom 26. bis 28. Januar 1973 lädt er 20 Düsseldorfer Künstler zu einer solchen »Arbeitszeit« in den Kurort Dangast am südwestlichen Jadebusen ein. Darunter ist auch Wolfgang E. Herbst. Das Kurhaus des Nordseebadeortes bildet den zentralen Treffpunkt der Kunstschaffenden. Unterstützt von Gastwirt Karl-August Tapken (1936–2016), der die Künstler bei ihren Happenings mit Materialien versorgt und ihnen mitunter assistiert, entwickeln sich an jenem Wochenende mehrere Aktionen, an denen auch Joseph Beuys teilnehmen wird. Ein Kamerateam des Saarländischen Rundfunks begleitet einige der Performances.

[…] Das waren richtig gute Leute, zum einen Hans Emmerling vom Saarländischen Rundfunk, der war damals bekannt als Feuilleton-Journalist und der hatte ein sehr gutes Kamerateam dabei. Es war geplant, dass jeder der beteiligten Künstler eine Arbeit erstellte. Anatol hatte sich einen alten, sehr schönen, noch gut erhaltenen Leiterwagen vom Wirt gekauft, ihn ganz mit Stroh eingewickelt und dann auf dem Watt angezündet. Eine für mich sehr unerfreuliche Sachlage. Daneben stand der Beuys, der hatte sich mit einer geschulterten Axt neben ihn gestellt, also vor das Feuer. Also ich habe das nie verstanden. Was gibt es da schon zu verstehen. Anatol Herzfeld liebt altes Werkzeug und Gerät, dann zündet er es an, das war für mich schon die erste Schwierigkeit. Die Axt von Beuys habe ich schon überhaupt nicht verknusen können.

Wolfgang E. HerbstSilesius

Nachdem ein zuvor von Tapken organisierter Leiterwagen von Anatol Herzfeld bemalt wurde entzündet ihn der Bildhauer am Ufer der Nordsee. Unterstützt wird er hierbei von seinem Axt tragenden Hochschullehrer. In seinen Werken verwendet Joseph Beuys den Gegenstand der Axt vielfach auf symbolische Weise u. a. als autonomes Objekt, bezeichnet mit »1 Wirtschaftswert« (1980) oder im Multiple »Die Axt von meiner Mutter« (1985). Sie dürfte auch in den Kontext der psychoanalytischen Selbstdeutung des Künstlers gehören, der die Axt als Metapher für die eigene künstlerische Stilisierung einsetzt.

Wolfgang E. Herbst, unerfahren im Bereich der Performance, zeichnet fortwährend, wird jedoch im Verlauf der drei Tage in Dangast vom Initiator der »Arbeitszeit« Anatol Herzfeld aufgefordert, einen öffentlichen künstlerischen Beitrag zu leisten. Der Druck ist hoch, denn ein Großteil der Aktionen wird von einem Kamerateam des Saarländischen Rundfunks unter der Regie des Grimmepreisträgers Hans Emmerling begleitet.

[…] Dann saßen wir eines abends wieder in der Kirche da und draußen war ein klassischer Herbstnebeltag. Da sagte jemand neben mir, neben mir saß der Anatol: »Mach Du doch auch mal was!« Und ich guckte so versonnen durch die Fenster dort und sage: »Theodor Storm, Theodor Storm«, sage ich. Anatol der eine Eifersuchtsnudel erster Klasse war, der sah seine Felle bereits wegschwimmen. »Ernst«, er sagte immer Ernst zu mir, weil er den Namen Herbst nicht verstanden hatte, konnte er auch nicht, weil er immer alles überschrie. »Ernst«, sagte er: »Tu das nicht!« Das musste er mir gerade sagen, da bin ich zum Gastwirt gegangen und habe gesagt: »Können wir nicht in der Gegend irgendwo einen Schimmel auftreiben?« Dieser meinte: »Das wollen wir versuchen.« Mit dem Gastwirt konnte man alles machen. Dann sind wir am nächsten Tag losgegangen und haben einen Schimmel auf den Dörfern gesucht. Es gab verschiedene Pferde, aber einer, der hat mir gefallen, ein Riesenvieh, unheimlich mager, knochig und da sagte der Gastwirt: »Den nehmen wir.« Der Bauer hat uns den Schimmel sogar noch mit Genehmigung des Deichgrafen auf den Deich gefahren. Ich brauchte ja keinen Sattel, ich bin ja immer ohne Sattel geritten bei den Bauern in Schlesien, also ich brauchte keine Ausrüstung. Ich hatte nur von einer Tante eine gehäkelte goldene Decke, das war ein Riesending, die habe ich mir umgehängt. Dann habe ich mich auf den Zossen gesetzt und habe gesagt: »Los!«, also »hüh!«, der ging aber nicht »hüh«, der ging gar nicht. Der wollte nur nach Hause und jetzt mischte sich der Anatol ein, weil er ja das Gefühl hatte, irgendwo muss er die Szene auch noch in den Griff kriegen. Die Kameraleute standen bereit, Emmerling stand mit der Wurst in der Hand daneben. Anatol nahm den Gaul beim Zügel, das durften wir ja jetzt und führte den, in die Nähe des Jadebusens auf den Deich und wieder hinunter, ein ganzes Stück. Nun muss man wissen, die Situation war so: Der Deich lag genau im rechten Winkel zum Ufer des Watts. In diesem rechten Winkel lag auch die Kirche. Anatol führte mich also dorthin, drehte den Gaul um. Dem Schimmel brauchte ich nix mehr sagen, der zog in vollem Galopp los. Also ich hatte alle Mühe, mich auf ihm zu halten und ich hatte jetzt nur noch Angst vor dem rechten Winkel, auf den wir zu steuerten, wir hätten in der See landen können. Doch das Pferd hatte es fertig gebracht die Kurve zu nehmen, das kannte ja die Gegend, und ich hatte es fertig gebracht darauf sitzen zu bleiben. Ich klammerte mich an die Mähne des Schimmels. Die Szene haben wir dann so vier, fünf Mal wiederholen müssen. Es hat auch immer geklappt [lacht]. Bis Emmerling sagte: »Es ist Schluss, wir haben es jetzt, es ist fertig!« Ich konnte dann zwei Wochen lang nicht mehr laufen, weil ich mir ohne Sattel am Widerrist des Schimmels das ganze Becken blau geschlagen hatte.

Wolfgang E. HerbstSilesius
Wohnatelier von Wolfgang E. HerbstSilesius, Meißen 2020 | Foto: Adam Dreessen

Während Wolfgang Erich Herbst als Hauke Haien auf dem hageren Schimmel über den Deich jagt, planen Anatol Herzfeld und Joseph Beuys schon die nächste Aktion. Bekannt unter dem Titel »Arbeitszeit« veranstalten sie vor den Augen der Kamera eine Bilderjagd, bei der die Fernsehkamera nicht mehr nur unbeteiligte Beobachterin, sondern Akteurin und Adressatin wird. Sie bestimmt das von ihr Aufgezeichnete maßgeblich mit. Beuys und Herzfeld nutzen gemeinsam mit Regisseur Emmerling das Medium Fernsehen für ihre Aktion: Während Anatol Herzfeld in Begleitung von zwei Kindern über einen Deich läuft, versucht ein Mann mit Fadenkreuz aus weiter Entfernung die Gruppe ins Visier des Kameraobjektivs zu nehmen. Indessen kommuniziert Beuys via Funkgerät mit der weit entfernten Gruppe. Eine vermeintliche Jagd nach Anatol Herzfeld beginnt, von Gewehrsalven begleitet gelangt der Bildhauer in Rot gekleidet, zwei blaue Scheiben schwenkend, schließlich gemeinsam mit den Kindern unmittelbar vor die Kamera. Langsam schiebt er eine der Scheiben vor das Objektiv, das sich nun für den Zuschauer verdunkelt.

[…] Nun ja jedenfalls ist es dann so gewesen, dass die Kameraleute die ganze Zeit über engagiert waren. Unweit von Dangast hatte Franz Radziwill ein altes Fischerhaus. Hans Emmerling sagte also zu mir, er wäre auch beauftragt, mit Radziwill ein Interview zu machen und ob ich ein Gespräch mit Franz Radziwill führen könne, damit die Unterhaltung nicht so kahl würde. Das habe ich auch gemacht, wir haben uns auch sofort sehr gut verstanden. 

Wolfgang E. HerbstSilesius
Wolfgang E. HerbstSilesius, Selbstbildnis, Bleistift auf Karton 2019, im Atelier des Künstlers in Meißen 2020 | Foto: Adam Dreessen

Seit den 1920er-Jahren lebte der Künstler Franz Radziwill (1895–1983) im Nordseekurort Dangast. Stilistisch geprägt von Expressionismus und Neuer Sachlichkeit erlangt er internationale Bekanntheit durch seine großformatigen Endzeitszenarios mit mahnender Symbolik. Im Januar 1973 während der Dreharbeiten des Saarländischen Rundfunks erlebt Wolfgang E. Herbst den 78-jährigen Künstler in einer Stimmung der Enttäuschung. Radziwill war 1933 in die NSDAP eingetreten und hatte seither bis 1935 eine außerordentliche Professur für Malerei an der Düsseldorfer Akademie inne. Nach seinem Entnazifizierungsverfahren 1949 hoffte er auf eine erneute Berufung an die Düsseldorfer Kunstakademie, diese blieb jedoch aus.

Herbst ist beeindruckt von Radziwills Oeuvre und entdeckt in dessen Haus eines von seinen favorisierten Gemälden des Künstlers. Vermutlich handelte es sich um die Arbeit »Frau zwischen roten Stühlen« von 1924, die sich heute im Museum Kunstpalast in Düsseldorf befindet.

Da stand doch verdammt mein Lieblingsbild von dem Radziwill, das stand da auf dem Stuhl, das Original. Wahnsinn! Das ist eine Frau, die mit dem Rücken zum Betrachter ist, die sich so über die Stuhllehne so lehnt. Ein ganz bekanntes Bild, och war ich glücklich. Das zu sehen da war ich sehr beeindruckend. Das Gespräch mit Radziwill verlief zum Teil allerdings traurig. Er war fast blind, er hat mir dann seine Zeichnungen gezeigt, die für mich sehr grob waren. Dann hat er mir von seiner Lebensgeschichte erzählt, und zwar von der Zeit des Malverbots. Er erzählte, wie er das Kriegsende erlebt hat und wie er erlebte als die Flugzeuge aufkamen, die er dann ins Bild gebracht hat. Dafür ist er ja auch bekannt geworden. Und dann sagte er: »Das war richtig schlimm, bis jetzt hatte man ja immer im Grabenkrieg noch ein Vis-á-Vis, aber auf die Flugzeuge von oben konnte man gar nicht so schnell reagieren, die waren plötzlich da.« Also es erschreckte ihn jetzt noch. Er meinte nach dem Krieg sei es für ihn nicht weiter gegangen. Er habe sich in Düsseldorf an der Akademie um eine Professur beworben, die ihm jedoch nicht mehr gegeben wurde. Er meinte, es seien die ganzen jungen Leute da schon »angeschwemmt« gewesen, wie z.B. Beuys. Auch die Architekten, das waren lauter junge Leute die nach dem Krieg übriggeblieben waren. Es waren ja nicht viele. Der Beuys war ja während des Krieges auch einmal verunglückt, er war ja Sturzkampfflieger. Jedenfalls wurde Radziwill nicht von der Akademie in Betracht gezogen und war so verbittert, das hätte er sich nicht verdient, meinte er, dass sie ihn dort ausgeklammert hätten. Aus meiner Sicht war das sehr sehr tröstlich, so möchte ich als Künstler nicht alt werden, mit so einer Verbitterung. Ich dachte mir, das kommt nicht in Frage. Auch so lasse ich mich auf einen Geniekult nicht ein, kommt nicht in Frage. Das war eine ganz wichtige Entscheidung und eine ganz wichtige Begegnung für mich.

Wolfgang E. herbstSilesius

Wolfgang E. herbstSilesius

1978 gegen Ende seines Meisterschülerstudiums beteiligt sich Wolfgang E. Herbst gemeinsam mit der Klasse Rolf Sackenheims an der ersten großen Düsseldorfer Kunstausstellung. Unter den weiteren Ausstellenden befinden sich Künstler wie Bernard Schultze (1915–2005), Georg Meistermann (1911–1990), Gerhard Hoehme (1920–1989) und Konrad Klapheck (*1935). Wolfgang E. Herbst experimentiert mit Stempeldruckverfahren, indem er seine Stempel selbst herstellt und die Drucke der Matrizen zu Gittern und Rastern in farblicher Abstufung arrangiert. Außerdem entwickelt der Künstler in den 1970er-Jahren abstrakte Strukturen, die er als netzartige Graphismen radierend auf Glasplatten überträgt. In den 1980er-Jahren entstehen neben seinen eigenen Handpressendrucken erstaunlich spontane figürliche Zeichnungen. In sparsam expressiver Charakterisierung widmet sich Herbst sozialkritischen Themen, intimen Beobachtungsstudien seiner Umgebung. 1984, Wolfgang E. Herbst ist 49 Jahre alt, richtet ihm Wieland König, der Direktor des Düsseldorfer Stadtmuseums seine erste Personalausstellung aus. Gezeigt werden Gemälde, Hinterglasmalerei und Zeichnungen der Jahre von 1976 bis 1984. Zwei Jahre später reist Herbst zum ersten Mal nach Rumänien. Mit einem VW-Bus durchquert er von 1988 bis 1989 sämtliche Landesteile. Seine Beobachtungen des von der Diktatur Ceausescus geprägten Landes überträgt er in Öl,- Tempera- und Aquarellmalerei. Es entstehen sensible Studien der Bevölkerung und des oftmals wie aus einem vergangenen Jahrhundert anmutenden Alltags, wenn etwa ein Pferdefuhrwerk auf schlammigen Wegen, an strohgedeckten Katen vorbeifährt. 1989 zeigt das damalige Haus des Deutschen Ostens, das heutige Düsseldorfer Gerhart Hauptmann Museum gemeinsam mit dem Düsseldorfer Stadtmuseum die Arbeiten Herbsts in einer gemeinsamen Doppelausstellung. Sie bilden den Anfang, einer für den damaligen Westen noch raren künstlerischen Annäherung an den Osten Europas.

Einladung des „Haus des Deutschen Ostens“ (heutiges Gerhart Hauptmann Museum in Düsseldorf) und des Stadtmuseums in Düsseldorf zur Ausstellung „Von Temeswar bis Iasi“ mit Arbeiten von Wolfgang E. Herbst, 1989 | Foto: Adam Dreessen

 [… ] Lange Zeit habe ich das Haus des Deutschen Ostens in Düsseldorf gemieden, das hatte aber die Führung gewechselt, der Direktor war nun kein Schlesier sondern ein Banater mit dem mich ein freundschaftliches Verhältnis aus meiner Zeit in Rumänien verband, daher hatte ich nun keine Scheu vor einer Ausstellung dort. Ich lehnte den Revanchismus im Hinblick auf den historischen deutschen Osten vollkommen ab. Also habe ich eine große Ausstellung in Kooperation mit Wieland König, dem Leiter des Stadtmuseum und dem Leiter des Hauses des Deutschen Ostens erhalten. Gezeigt wurden u. a. meine Aquarelle aus Rumänien. 

Wolfgang E. herbstSilesius

Doch auf Wolfgang E. Herbst wird Rumänien eine bis in die 1990-Jahre andauernde Faszination ausüben. Eine zeitweise Existenz ohne Bindung, stetig auf Achse, in seinem Auto lebend, meist in ländlichen Gegenden, verschafft ihm den Freiraum, den er für sein künstlerisches Arbeiten braucht. In Siebenbürgen lernt er zudem seine dritte Frau kennen. Angeregt durch rumänische Hinterglasmalerei, entwickelt Herbst eine eigene Technik. Es entstehen freie, nahezu abstrakte Landschaftsstudien in Eitempera hinter Glas. 

Wolfgang E. HerbstSilesius: Hinterglasmalereien und Radierungen der 1970er-Jahre aus „Menschen und Malven – Ein Musterbuch“, erschienen in Goldgrundpresse Meißen o.J. | Fotos: Adam Dreessen

Anfang der 1990er-Jahre kehrt Wolfgang E. Herbst wieder dauerhaft nach Düsseldorf zurück. Maßgeblich unterstützt von den Düsseldorfer Stadtwerken kann er seine Aktivitäten im Bereich der Handpressendrucke wieder aufnehmen. Es entstehen bibliophile Ausgaben, darunter die Edition des Schauerdramas »Die Philosophen«, des Düsseldorfer Autors und Groteskenerzählers Hermann Harry Schmitz (1880–1913) begleitet von Holzschnitten Wolfgang E. Herbsts.

1991 wird Wolfgang E. Herbst maßgeblich von den Düsseldorfer Stadtwerken unterstützt. Diese stiften eine Druckerpresse und stellen Werkstatträume für Herbst zur Verfügung. | Foto: Adam Dreessen

1993 entwickelt der Künstler seinen 24-teiligen Holzschnittzyklus »Die Winterreise«. Inspiration ist ihm vor allem die Schubertsche Vertonung der romantischen Gedichte Johann Ludwig Wilhelm Müllers (1794–1827). Es ist sicher kein Zufall, dass Herbst in jenem irrfahrenden, gescheiterten Protagonisten der Müllerschen Liedzeilen, eine Art Alter Ego sieht. Entwurzelung und Zerrissenheit sind nicht allein zentrale Motive im romantischen Liederzyklus, sondern spiegeln sich im persönlichen Werdegang Wolfgang E. Herbsts. Geprägt ist sein Holzschnittzyklus der Winterreise von reduzierten Bildformeln. In weißen, haarfeinen Linien gräbt er menschliche Konturen in den schwarzen Grund des Holzstocks. Sie muten verloren an und sind doch geborgen in der hindurchschimmernden Maserung des Holzes und der Dunkelheit des Fonds. Der Holzschnittzyklus zählt zu den am häufigsten ausgestellten Arbeiten Wolfgang E. Herbsts, 1993 kann er ihn erstmals im Stadtmuseum Düsseldorf präsentieren. Die Realisierung der Arbeiten verdankt der Künstler einem kunstsinnigen Orgelbauer aus Luxemburg Georg Westenfelder, der die Druckstöcke stiftete.

Wolfgang E. HerbstSilesius: Winterreise – 24 Holzschnitte nach Gedichten von Wilhelm Müller, hier als Publikation der Goldgrundpresse Meißen, 2. Auflage 2018 | Foto: Adam Dreessen

[…] Als ich die »Winterreise« von Franz Schubert studiert habe, war ich Student bei Professor Gruberbauer in der Musikhochschule in München. Damals noch galten die Texte von Wilhelm Müller als drittklassig. Das hat mich von Anfang an gewurmt weil mir die Texte so gut gefielen. Das hat sich ja grundsätzlich geändert und zwar hauptsächlich durch Fischer-Dieskau, der damals bekannt wurde. Ich habe mich dann immer sehr intensiv mit den Texten und Wilhelm Müller beschäftigt. Als ich dann meine Rumänienreisen machen musste, habe ich sehr viele Parallelen zwischen Dichtung, Landschaft und meiner eigenen Situation erlebt. Drei Sonnen gibt es wirklich, ich habe sie erlebt bei einer Durchfahrt durch Ungarn. Es ist eine Spiegelung. »Drei Sonnen sah ich am Himmel stehn, hab lang und fest sie angeseh’n, und sie auch standen da so stier als wollten sie nicht weg von mir. Ach, meine Sonnen seid ihr nicht, schaut andern doch ins Angesicht, ja neulich hatt’ ich auch wohl drei, nun sind hinab die besten zwei. Ging nur die dritt erst hinterdrein, im Dunkeln wird mir wohler sein.« Was für ein Text! Ich verspürte ein Gefühl von unbeschreiblicher Einheit mit der Musik Schuberts und den Liedtexten von Wilhelm Müller. Dann habe ich für die Holzschnitte zur Winterreise eine ganz neue Bildsprache entwickelt. Und zwar sind die ja sehr einfach gehalten, mit Absicht. Ich wollte sie nicht illustrieren, ich wollte die Geschichte noch mal erzählen, mit anderen Mitteln, mit einfachen Mitteln. Illustrationen gibt es dazu genug. Die finde ich zum Teil auch gar nicht gut, aber was ist schon gut. […] Zu dieser Zeit bauten sie in der Düsseldorfer Lutherkirche eine neue Orgel mit dem Orgelbauer Westenfelder aus Luxemburg, ein ganz rares Kerlchen. Mit ihm habe ich mich dann angefreundet, das war ein regelrechter Schubertianer, aber ein gewachsener. Ihm sagte ich, ich hatte ja damals schon dieses große Atelier im Hafengebiet von Düsseldorf, ich sagte, ich wollte immer gerne mal die Winterreise schneiden, und da sagte er: »Oh ja, wo fehlt es denn?« Ich sagte es fehle am Holz, ich brauchte ein bestimmtes Holz und das bekam ich nicht in diesen Ausmaßen. Da fragte er mich: »Was willst Du denn haben?« Da meinte ich: »Geleimte Esche, acht Millimeter dick, also aneinander geleimte Hölzer.« Weil die Esche ist eines der widerspenstigsten Hölzer überhaupt, zäh und hart. Zähes Holz, das war mir gerade gut genug, das Holz der Esche machte was es wollte, also es biegt sich wohin es will. Daher muss man es in der richtigen Laufrichtung in Streifen leimen, damit es gehorcht. Westenfelder war vom Fach und meinte: »Das Holz bekommst Du!« Nach ein paar Wochen hatte ich 24 Platten und habe losgelegt. Da habe ich ein ganzes Jahr dran geschnitten, den ganzen Sommer durch. Damit keine Brüche entstehen, habe ich es stilistisch durchgehalten. Seit der Zeit habe ich die Holzschnittfolge der »Winterreise« doch an die zehn mal ausgestellt. 

Wolfgang E. HerbstSilesius

Entbehrung, Getriebensein und Beharrlichkeit prägen das Leben des nun seit 18 Jahren im sächsischen Meißen lebenden Künstlers Wolfgang Erich HerbstSilesius, wie er sich seit 2003 in Gedenken an seine Herkunft aus Niederschlesien nennt. Angesichts mangelnder Ausstellungsmöglichkeiten und einer gewissen Skepsis gegenüber dem Kunstbetrieb und dem Kunstmarkt im Allgemeinen übernimmt Wolfgang E. HerbstSilesius neben der künstlerischen Arbeit auch die Vermarktung seiner eigenen Werke. Mit den Handpressendrucken hat er ein Medium für sich entdeckt, dass dem Ausdruck der eigenen lyrischen und bildkünstlerischen Begabung, aber auch seinem unorthodoxen eigenwilligen Lebensstil ideal zu entsprechen scheint. Ab Mitte der 1960er-Jahre war er Mitbegründer oder Initiator von nunmehr fünf Künstlerhandpressen. Seither veröffentlichte HerbstSilesius über 70 Publikationen. Getreu der eigenen Maxime die eigenen Fähigkeiten zu erproben, an die Grenzen des Machbaren zu gehen, druckt er mit Bleihandsatz vornehmlich eigene Texte, die wiederum von seinen Holzschnitten begleitet werden. Als Künstler, Autor und Verleger in einem, zeichnet er für Inhalte, Gestaltung, Satz, Druck, Bindung und Distribution seiner Werke verantwortlich.

 […] Ich hätte den Stomps-Preis nie bekommen, das ist eine geschlossene Gesellschaft. […] Es war dann eben so, dass ich durch Otto Martin einen direkten Draht zum Gutenberg-Museum erhielt. Otto Martin war in der Jury, und der hat dafür gesorgt, dass ich den Preis erhalte, so hängen die Dinge ja in der Regel zusammen. Wenn man keinen Fürsprecher hat wirds nix. Ich hatte mich zuvor schon einmal für den V. O. Stomps Preis beworben. Da habe ich der Jury ein Buch mit japanischer Bindung geschickt. Diese beruht auf Doppelbögen, die Bindung ist so gedacht, dass man darin blättern kann, dass es so fällt. Die Jury jedoch bemängelte, ich hätte den Buchblock-Rücken mit einem Fälzel umkleben müssen, damit eine einheitliche Dicke erreicht wird. Da habe ich ihnen ihren eigenen Schrieb sofort wieder zurück geschrieben, habe quer draufgedruckt „Onanisten“. Und dann hatte ich Gott sei Dank auch verloren. [Lacht] Das hat mir große Freude gemacht. Der Otto Martin hat es verstanden.

Wolfgang E. HerbstSilesius

1994 arbeitet Wolfgang E. Herbst drei Monate im Druckladen des Gutenberg-Museums in Mainz. Es entstehen drei Ausgaben seiner Zeitung »Zwischenruf«, die Herbst eigens gestaltet, setzt und druckt. Im Leiter des Druckladens Otto Martin findet der Künstler einen Fürsprecher seiner Arbeit. Daraufhin wird Wolfgang Erich Herbst 1995 in Mainz mit dem renommierten Victor Otto Stomps-Preis ausgezeichnet. Es ist dies die wichtigste Auszeichnung für Kleinverlage und künstlerische Handpressen in Deutschland. Benannt nach dem legendären Gründer der Eremiten-Presse in Stierstadt im Taunus, den Herbst 1966 einst als Verleger seines Langgedichts »Kehr die Straße glücklicher« persönlich kennenlernte. 

Kompromisslos vertritt HerbstSilesius seinen Standpunkt. Fern von Zugeständnissen lebt er mit den Konsequenzen und dem mitunter ausbleibenden Erfolg. Lakonisch kommentiert der Künstler, das Geheimnis seines Misserfolgs sei darin begründet, dass er nie zweimal dasselbe mache. Jene Selbstironie ist der Motor für sein umfangreiches und vielfältiges künstlerisches Repertoire.

Wolfgang E. Herbst: Drei Ausgaben der Handpressenzeitung „Zwischenruf“ der Herbst Presse Düsseldorf im Druckladen des Gutenberg-Museums Mainz, erschienen 1994 | Foto: Adam Dreessen

Was auch ziemlich früh klar war, das wissen Sie auch, der Erfolg ist zum großen Teil durch Wiederholung gewährleistet. Der Kunde sucht Erkennbarkeit und Sicherheit, hauptsächlich an der Börse, und das hängt alles zusammen. Ich habe mich zeitweise wirklich für unbegabt gehalten, weil ich diese Facette nicht habe, ich kann das nicht. Ich kann auch nicht agitieren, das kann ich nicht. Ich kann Ihnen tausend Geschichten erzählen, aber ich kann Sie nicht davon überzeugen ein Bild von mir zu kaufen, das kann ich nicht. Da sage ich dann immer, gehen Sie woanders hin. [Lacht]

Wolfgang E. HerbstSilesius
Portrait Wolfgang E. HerbstSilesius, Meißen 2020 | Foto: Adam Dreessen

In der Nacht vom 8. zum 9. Februar 2022 verstarb der 87-jährige Maler, Poet und Buchkünstler Wolfgang E. HerbstSilesius nach langer Krankheit in Meißen.

Portrait- und Atelieraufnahmen von Adam Dreessen

Folgende Künstler haben uns für die Podcastfolge ihre Musik zur Verfügung gestellt. Alle Rechte liegen bei den Künstlern:

KünstlerTitel Mit freundlicher Genehmingung des Künstlers für diese Podcastfolge zur Verfügung gestellt. Alle Rechte liegen beim Künstler
Wolfgang E. HerbstSilesius Aufnahmen März 2021 in seinem Atelier
Tobias HerzzCherub Song
Tobias HerzzCodex
Tobias Herzz und Julia RaniThese Are Just Words (You Know)
Tobias HerzzDie Fahrt nach der Irrenanstalt
Weitere Titel gefunden auf Free Music Archive und MUSOPEN
KomponistTitel Lizenz
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Johann Sebastian Bach – Shelley Katz (Interpret)Goldberg Variations, BWV. 988 – Variation 21. Canon on the seventh(CC0 1.0)
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